Home   Webmaster Blatt 2 

Kulturelles Schaffen - Artikel des Jahres 1952 aus dem "Münchner Tageblatt"

Wir haben an dieser Stelle schon verschiedentlich Arbeiten studentischer Künstler gebracht, die an der Front oder - beeindruckt durch das Kriegs- geschehen - in der Folgezeit entstanden sind. Wir setzen heute diese Reihe fort mit einem Ölbild von Unteroffizier Hanns Otto Geigenberger das wir schon anlässlich der Ausstellung "Studentische Kunst 1941" in der Folge 9 der "Bewegung" herausgestellt haben. Hanns Otto Geigenberger studierte auf der Akademie für angewandte Kunst in München, der italienischen Akademie in Rom und auf der Akademie der
bildenden Künste ebenfalls in München.

   Seine Arbeiten, die wir von der Ausstellung "studentische Kunst 1941" kennen, sind aufs stärkste vom Kriegserlebnis beeinflusst, und wir haben ein Ölbild herausgegriffen, das uns auf Grund seiner großzügigen Behandlung des Themas besonders charakteristisch für das Schaffen Geigenbergers erschien. Es ist dem jungen Künstler gerade bei diesem Bild gelungen, dem Motiv - das uns aus eigener Anschauung bekannt ist - das Grauenhafte und Öde durch eine freundliche Farbgebung, durch glückliche Verteilung des Lichtes zu nehmen. Unteroffizier Geigenberger, der schon seit 1936 zu den studentischen Ausstellern gehört, schildert uns im Folgenden die Tage, die für ihn er- lebnismäßig und vor allem für sein künstlerisches Schaffen   mit  entscheid-
end waren.

Unauslöschliche Erlebnisse werden festgehalten

Zweieinhalb Jahre steuerte ich als Fahrer bei den Panzerjägern meine verschiedenen Geländewagen - auf Manöver, beim Einmarsch in Österreich, bei der Rückkehr des Sudetenlandes und im Westeinsatz bei Pirmasens, Liederscheidt und Schweix.

Der Beginn des Westfeldzuges und der strenge Winter zwangen uns in eine selbsterbaute Hütte, an einen steilen Felsen gelehnt unter einem gut getarnte Maschennetz. Mein 80-PS-Vierrad- antrieb stand in nächster Nähe.
   Trotz unserer Zurückgezogenheit verliefen die Tage selten ungestört und ruhig. mir war, bleiben unauslöschliche Erlebnisse. Das Rollen der Artillerie und das Tackern der Maschinengewehre war uns längst zur Gewohnheit geworden. Das Gelände, das wir ein halbes Jahr durchstreiften, hatte sich mir so stark eingeprägt, dass die Dörfer, durch die ich bei stockdunkler Nacht ohne Licht fahren musste, deutlich, wie am hellen Tag vor mir erstanden: zerschossen, verlassen. Dann meldete ich mich zur Infanterie. Wenn auch der Einsatz "vorne" nur noch kurze Zeit dauerte, so so war doch alles erfüllt von den Ereignissen, die uns täglich und stündlich forderten. Fernspähtrupps weit hinter die feindlichen Linien unter Führung unseres tapferen Kameraden Leutnant Orthofer - der von dem letzten Unternehmen nicht mehr zurückkehrte - und ein Stosstruppunternehmen bei dem, wie auch unzählige Male vorher, mein Akademikerkamerad Vitus Vierthaler neben mir war, bleiben unauslöschliche Erlebnisse.

Dann hieß es für mich alten Kraftfahrer: Marschieren, marschieren! Auf Umwegen ging's nach Saarbrücken zur Bereitstellung unserer Division vor der Maginotlinie. Nach dem Durchbruch - wir waren Reserve - ließen wir Bunker und Panzerkuppeln hinter uns zurück und schwerbefestigte Ortschaften, die wie tot lagen nach dem Angriff unserer Stuka. Wir aber rückten dem "Feind" nach. Unser Regiment hatte noch mehrere heftige Gefechte zu bestehen, vor allem gegen eine polnische Division. Vor Epinal erreichte uns die Nachricht vom Waffenstillstand, deutsche Panzer kamen uns entgegen. Wir waren weit durch die feindliche Linie gestoßen, rechts und links an unserem Weg zeichneten sich die Spuren wilder Flucht, Regimenter von Gefangenen kamen uns entgegen. Nach kurzer Besatzungszeit war für uns der Feldzug im Westen beendet. Die Eindrücke, die in dem rasenden Ablauf der Ereignisse auf einen jungen Menschen einstürmen, scheinen sich zu überstürzen: das Auge versucht zu registrieren, das Gedächtnis zu bewahren, was dem Stift aus Mangel an Zeit oder Gelegenheit festzuhalten nicht möglich war. Als ich im Oktober für sechs Monate Studienurlaub erhielt, nutzte ich neben meinem Studium die Zeit, um Schau und Erlebnis des Krieges in Bildern wiederzugeben.

Blatt 2